Inhalt Nr.1 - 08/98

Vorwort

De Schriftstedt vun de Fehrsgill will mit de niede Folge vun de "Blööd" een Forum open moken, wo uuret, Söötet, Sworet und Wohret verhannelt warrn kann. Uk schüllt de Leetmatens de Sakens ut de Gill mitdeelt kriegen.

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Aus der Gilde

Als diesjährige Gildegabe ist zweierlei vorgesehen: Von unserem Mitglied Christa Heise-Batt der Band mit niederdeutschen Erzählungen: Vun Metta, Lina und Josè. Vertellen vun hier und annerwegens. Heimatspiegel-Verlag, Norderstedt 1998, 110 S. Und: Eine CD mit ausgewählten Stücken und Versen aus "Dat ole Testament" gesprochen von unserem Mitglied Karl-Emil Schade. Wachholtz-Verlag, Neumünster 1998, 70 min.
Die Fehrsgilde dankt allen Mitgliedern, die sich an der Kampagne gegen Verlegung der einzigen niederdeutschen Fernsehsendung "Talk op Platt" beteiligt haben. Zusammen mit anderen niederdeutschen Vereinigungen konnte erreicht werden, dass N3 einen günstigeren Sendeplatz bereitstellte.
Wie das Institut für niederdeutsche Sprache/Bremen mitteilt, wird die plattdeutsche Morgenandacht auf NDR4 ersatzlos gestrichen.
Bleibt zu vermelden, dass unser Mitglied Günter Harte am 15.04.98 mit der Senator-Biermann-Rathjen-Medaille für seine Verdienste am Niederdeutschen ausgezeichnet wurde.

Hinweis für geschichtlich Interessierte: So,d.30.8.98 findet im Rahmen des Schleswig-Holstein Tages (28.-30.8.) in Elmshorn, im "Weißen Haus", Schulstr.36, von 10-15 Uhr eine Vortragsreihe zum Thema "150 Jahre Streben nach Demokratie" statt. 20 Mark, inkl. Imbiss u. Getränk. Anm: Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, Rathausstr.2, 24103 Kiel, Tel: (0431) 98384-0, Fax: -23.

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Wozu noch alte Dichter wie Johann Hinrich Fehrs ?

Wir leben heute in einer Zeit, die von einem fortgeschrittenen technologischen Standard geprägt ist. Moderne Verkehrs- und Kommunikationsmittel haben sich über den Globus ausgebreitet. Ein Netzwerk relativ weniger Unternehmen aus Bank- und Großindustrie herrscht über die Wirtschaft und Politik in nahezu jedem Land der Erde. Wir wissen, dass erst seit etwa 200 Jahren, zugleich mit dem Fortschreiten der Naturwissenschaften, die Leistungsfähigkeit der industriellen Produktion so stark zugenommen hat, dass sich uns heute lebenden Menschen die Welt sehr viel anders darstellt, als noch denen, die kurz zuvor gelebt haben. Die Landschaft hat ihr Aussehen stark verändert. Fehrs gehört zu jener Generation, die am Beginn der sichtbaren Umwandlungen unserer Lebensräume steht. Wir können am Beispiel seines Lebens und seines Werkes zum Nachdenken angeregt werden, denn nur wenige Generationen trennen uns von diesem Menschen. Der zeitliche Abstand von gut einem Dutzend Jahrzehnten ist weder zu lang, noch zu kurz, um nachzuvollziehen, was inzwischen anders geworden und was gleich geblieben ist. Seine Welt ist die, aus der die unsere geworden ist. Befassen wir uns mit Fehrs, lernen wir also auch etwas über uns selbst. Und der Dichter macht es uns leicht, denn es war schon sein Anliegen, kulturhistorische Werte zu dokumentieren und auf diese Weise einer übereilten Entwicklung in der Gesellschaft entgegen zu wirken. Wie die Umwelt, so ist auch die Bevölkerung anders geworden. Während früher das Leben aller Schichten viel landwirtschaftlicher ausgerichtet war, bewirkte die industrielle Umwälzung eine starke Ausrichtung zu den Städten und Fabriken, in deren Folge die Arbeiterschaft entstand. Seitdem spricht man vom Zeitalter der Massen. Die politischen Bewegungen seither lassen sich entsprechend als Massenbewegungen auffassen. Heute werden die Menschen durch die Massenmedien, die im Kern nichts anderes als Wirtschaftsunternehmen sind, mit Informationen versorgt. In diesem Vorgang liegt manche Unzulänglichkeit; auch fällt es angesichts der Fülle schwer zu erkennen, was wichtig ist, und zu ignorieren, was unwichtig ist. Hier hilft nur der Wille zu mehr Wissen.
Unsere Dichter und Denker stehen bereit, zu helfen, sie bieten es uns an, ihnen zuzuhören. Wir können lernen aus ihrem Vermächtnis; am Betrachten von Menschenschicksalen können wir uns bilden.
TB

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Fehrs-Gill

1916, in dat Johr, as de Schoolmeister un Dichter Johann Hinnerk Fehrs doot bleev, wörr de Fehrs-Gill vun Ingeborg Andresen, Jakob Bödewadt, Christian Boeck un anner Lüüd gründt. De Gill sett sick de Opgaav, mit dat Wark vun Fehrs Kunst un Kultur in Noorddüütschland ünner de Arms to griepen.
Fehrs is 1838 in Holsteen to Welt kamen, noch ünner däänsche Herrschaft. As Kind beleev he den sleswig-holsteenschen Freeheits-Opstand, de vun de Dänen dalsmeten wörr, un in sien Mannsöller Bismarck sienen Triumph öber Dänemark un öber Frankriek un de nationale Rieksgründung. Dornah eerst möök Fehrs sick as Dichtersmann enen Namen, un as de 1. Weltkrieg in 'n Gang weer, do bleev he doot. So as de Politik sick gauer ännert as de Kultur, so hett de Literatur in Nedderdüütschland ümmer mal anner Tostänn' in de Politik sehn; man ümmer hett se ehr Wöddeln in de Region beholen. Wat Fehrs un anner Schrieverslüüd schreben hebbt, dat hett sien Wöddeln in de wussen Oort un kann nich vun hüüt op morgen ümdüüdt warrn. De Fehrs- Gill will nich na de Mood gahn, man se will sick för dat Originelle insetten. Hüütodaags geiht de Politik op en vereentes Europa to, lett de Nationen achter sick un hett en Europa op Sicht, wo de Regionen en Rull speelt. Dat bedüüdt, dat de Rüümlichkeiten för de Kultur sick ännern doot: Wenn de Grenzen wegfallt, denn köönt de Minschen op beide Sieden beter Kontakt finnen, un se köönt sick nee besinnen op ehr Ümwelt un op ehr Spraak, de dor to Huus is.
Spraak is dat wichtigste Deel vun de Kultur. Nedderdüütsch is en Spraak, un ehr Rebeet is en grote un wichtige Region. In disse Region will de Fehrs-Gill nedderdüütsche Kultur ünner de Lüüd un vöran bringen.
Help för nedderdüütsche Spraak deit nödig in en Tiet, wo de Groten de Lütten an de Siet drängt. Dat wörr gor nix nütten, wenn in Europa allens liek maakt un ole Naberschopen oplööst wörrn. Help för nedderdüütsche Kultur deit nödig in en Tiet, wo nich na goot un slecht, man blot na nee un oolt fraagt un allens Nee för goot un allens Ole för slecht holen ward.
Wenn de nedderdüütsche Spraak opgeben wörr un verlustig güng, denn harrn de Minschen nich mehr, man veel weniger as vördem. Deswegen will ok de Fehrs-Gill dat Stück Arfdeel vun de Kultur oprecht holen, dat de Minschen nich vergeet, wokeen se sünd un wonehm se herkaamt. Dat Tosamenfinnen in Europa bringt ok Gelegenheit, nee antosetten in de Region. Nee ansetten in de Region bedüüdt ok, de Minschen nehger kamen; bedüüdt ok, Kultur öbersichtlich un verständlich holen un liekers apen sien för anner Regionen in de Naberschop.

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Was ist Umgangssprache ?

Sprache stiftet einen Teil der persönlichen Eigenart; ein Mensch, der keine Sprache kennte, verfügte gar nicht über jene Anteile seines Bewusstseins, die ihm erst durch den Spracherwerb zu Teil werden. Nicht Typ oder Name der zu erwerbenden Sprache gibt den Ausschlag - grundsätzlich ist jede Mundart oder Sprache geeignet, Gegenstände und Ereignisse sprechend abzubilden, um über das Gedächtnis Bewusstsein zu erzeugen - vielmehr ist die Fähigkeit, Sprache benutzen zu können hinreichend für die Beschaffenheit eines einzelmenschlichen Bewusstseins. Die Entwicklung desselben hängt von zweierlei ab: Zum einem davon, was im Menschen erblich veranlagt vorliegt, nämlich in der körperlichen Gestalt, denn sie ist Ausdruck der Natur und somit unmittelbar gegeben, auch wenn sie in Zeitzyklen, die über das Leben hinausweisen, sich entwickeln und verändern möchte.
Zum anderen wirkt die Umgangssprache an sich auf das einzelmenschliche, sich entwickelnde Verständis der Umwelt, sofern die Sinne sie wahrnehmen. Die vorgefundene, dargebotene Sprache muss einem an sie zu stellenden Anspruch genüge tun: sie muss zum naturgemäßen Leben taugen. Nicht 'Deutsch', 'Englisch', 'Japanisch', 'Selkupisch', oä. bildet uns, sondern das, was wir hören, sprechen, lesen (sehen). Jeder in seiner Welt hat viele Gemeinsamkeiten mit anderen Einzelmenschen in seiner engeren und weiteren Umgebung. Vor allem Worte, Sprechweisen, Satzmuster teilt ein jeder mit vielen. Die Sprachen aller zivilisierten Völker sind aber normiert, d.h. sie besitzen Schrift, Literatur und Institutionen, die sich mit Sprache und Sprachgebrauch befassen.
Langsam beginnend, ähnlich ungeordnet wie die Ausbreitung der Industrie, brach das Informationszeitalter an und brachte den Menschen viele sprachliche Erzeugnisse in sehr großen Mengen. Die Umwelt der Menschen ist inzwischen mit diesen Produkten angereichert: Zunächst Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Blätter und Plakate, dann Hörfunkprogramme, Tonbänder, Schallplatten, Fernsehprogramme, Rechnernetzdateien; Philosophisches, Belehrendes, Aufklärerisches, Unterhaltendes, Informierendes, Werbendes. Die Sprache der Umgebung eines Menschen, und dessen eigener Sprachgebrauch durchdringen einander; Neues entsteht, Verständnis meist aber erst aus der Distanz heraus. Durch die Medien abertausendmal multiplizierte unwichtige oder gar falsche Phrasen sickern, wenn sie dauernd auf die Sinne einwirken, ins Bewusstsein und von da über den Sprachgebrauch zurück in die Umgangssprache.
TB

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Was ist Niederdeutsch ?

Niederdeutsch nennt man die Reste der Sprache des niederdeutschen Raumes, der sich einst um Nord- und Ostsee ausdehnte. Aufgrund wirtschaftspolitischer und kultureller Entwicklungen, wurde dieser nie scharf abgegrenzte Raum im Verlaufe des geschichlichen Werdegangs immer weiter zu sammengedrängt und ausgedünnt.
Schriftsteller weisen, besonders seit Mitte des 19. Jahrhunderts darauf hin, dass diesem Vorgang nicht nur Gutes innewohnt, auch wenn ein hochdeutscher Dialekt, nachdem zum Standard in Recht und Religion erhoben, nach und nach viele wichtige Aufgaben übernimmt und immer mehr Bereiche ausfüllt. Tatsächlich hat das Hochdeutsche in jenen vergangenen 500 Jahren bis zum heutigen Tag weder das Niederdeutsche völlig verdrängen, noch sich selbst völlig von niederdeutschen Einflüssen frei halten können. Jedoch sank das Ansehen des niederdeutsch Sprechenden durch die Verbannung von Richterbank, Schulkatheder und Altar. Niederdeutsch, die Sprache der Mehrheit, ward Sprache des minderen Rechts. Im niederdeutschen Raum hat man sich inzwischen an eine hochdeutsche Umgangssprache gewöhnt. Die letzten echten niederdeutschen einsprachigen Menschen dürften heute recht alt sein. Mit ihnen schwindet der alte Kern der Niederdeutschen für immer aus der Welt. Was zunächst noch bleibt, sind die echten Zweisprachigen. Heute ist Niederdeutsch jene Sprache, die von den verbliebe nen natürlichen Sprechern noch benutzt wird, weiterhin jene, die in literarischen Werken uns konserviert vorliegt, und es zählen dazu auch die Wiederbelebungsversuche der "Sprachumkehrer". Es gibt Ansätze zu einer neuniederdeutschen Schriftkultur. Warum lohnt es sich, das Vermächtnis der niederdeutschen Sprache zu beachten? Die Antwort weist zurück auf die oben genannte zweite Forderung zum Gedeihen des einzelmenschlichen Bewusstseins, das auf sprachlich vermitteltem Wissen und einer angemessenen Wahrnehmungsfähigkeit beruhen muss: Die Beschaffenheit der wirklich benutzten Sprache muss dem Anspruch der Bedürfnisse genügen. Das aber leisten die in weitesten Kreisen verwendeten Spielarten der Umgangssprache nicht, woraus erhellt, wieso nicht nur in der heranwachsenden Generation soviel Verwirrung, Verzweiflung, Ungeist und Aktionismus zu beobachten ist. Was im übrigen nicht bedeutet, dass es nur fatale Erscheinungen geben muss.
Wer bemerkt, wie Sprache heute verwendet und konsumiert wird, könnte beunruhigt sein; mag ihn trösten, dass die Natur, wie auch immer, sich selbst helfen wird. Niederdeutsch war bisher eine Sprache "non grata" - unerwünscht im Zuge der nationalen und internationalen Einigungen und Vereinheitlichungen. Zwar wurde sie in mancher Hinsicht weniger beansprucht und verbraucht als die offizielle hochdeutsche Umgangssprache, freilich geriet sie, die Sprache der damals freieren Gemeinwesen, in den Veruf, ruchlos, gemein und niederträchtig zu sein. Wer sich dem sprachlich vermittelten Zeitgeist noch entziehen will, tut gut daran, sich sprachlichen Fragen und Kunstwerken zuzuwenden. Was liegt näher als Niederdeutsch, die alte Sprache des niederdeutschen Raumes ?
TB

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Über Formen von Gedichten

Für die Bevensen-Tagung 1998 hat der Vorstand dieser Institution den englischen Text eines Shakespeare-Sonetts veröffentlicht und die niederdeutschen Schriftsteller aufgefordert, es ins Plattdeutsche zu übertragen. - Es mag sein, dass hiermit in gewisser Weise eine Wende in der (niederdeutschen) Lyrik angebahnt wird: Fallenlassen des seit etlichen Jahren zu beobachtenden formalen Wildwuchses und Wiederkehr einer angewandten Kenntnis überlieferter (und neuer) lyrischer Formen. In diesem Zusammenhang hier die Vorstellung einiger Formen, die nicht nur in die neuere deutsche und europäische Lyrik, sondern weltweit Eingang gefunden haben: Japanische Kurzlyrik in Gestalt von Haiku, Tanka, Senryu und Renga. Was ist ein Haiku? Was ist ein Senryu? - Die Deutsche Haiku-Gesellschaft schreibt dazu: "Haiku und Senryu sind die kürzesten Gedichtformen der Weltliteratur. Sie umfassen siebzehn Silben, die nach einem Metrum von 5-7-5 Silben in drei Zeilen niedergeschrieben werden. Beide Formen sind japanische Lyrikgattungen, deren formale und inhaltliche Deutungen aus der fernöstlichen Literatur übernommen wurden.
Das Haiku ist ein Naturgedicht, das eine Jahreszeit beinhaltet und das ohne persönliche Wertung durch den Autor in seinem transzendentalen Bezug offen bleibt. Das Senryu unterliegt keiner inhaltlichen Bindung. Alle Themen des alltäglichen Lebens, die Gefühle des Autors, menschliche Schwächen oder auch die Politik können hier in spöttischer oder gar ironischer oder auch humorvoller Weise aufgezeigt werden.
Ein nur in siebzehn Silben aufgeteilter Satz ist noch kein Kurzgedicht im genannten Sinne. Eine Zäsur innerhalb der Gedichte, möglichst zum Zeilenende der ersten oder zweiten Zeile, und eine ausgewogene Rhythmik unterstützen die Spannung. Einen Reim gibt es nicht." (Haiku-Kalender auf das Jahr 1998).
Ein Beispiel - (Elisabeth Gallenkemper):

Pingstrausen glaihen,
hebbt keen Egenloff nödig,
staht so ganz alleen.

Das Haiku ist in der japanischen Literatur seit etwa vier Jahrhunderten überliefert und erfreut sich nach wie vor großer Wertschätzung. Das Schreiben von Haiku ist im modernen Japan so etwas wie ein Volkssport; hunderte von Haiku-Zeitschriften veröffentlichen dort laufend zeitgenössische Texte. Das japanischeTanka ist noch älter als das Haiku. Es enthält nicht 17 Silben wie dieses, sondern 31 Silben in der Anordnung 5-7-5-7-7 in fünf Zeilen. Dabei präsentiert (im Idealfall) der Aufgesang (die ersten drei Zeilen) ein Naturbild, während der Abgesang (die abschließenden beiden Zeilen) eine Art Reflexion enthalten.
Ein Beispiel - (Heinz von der Wall):

Nu heff ick doch moi
de Steene van de Beetkes
söcht un wiet wegbröcht:
De Spreen köönt in de Bööm
kaomen un Kessbeern stählen.

In Japan entwickelte sich dann vor etwa 400 Jahren aus dem Tanka die kürzere Form des Haiku: das überlieferte Tanka wurde dergestalt gekürzt, dass man auf die beiden Zeilen des Abgesangs verzichtete; damit war das Haiku entstanden, das geschaute und in drei Zeilen niedergeschriebene Naturbild, das aus sich selbst und in sich selbst das poetische Moment hervorbringt.
Ein Beispiel - (Heinz von der Wall):

Van 'n Tang an 'n Boom fallt
af de överriepe Beern -
Wespen jaagt ehr na.

Das Renga, von zwei Personen geschrieben, gleicht formal dem Tanka.
Ein Beispiel - (Klaus D. Jürgens):

Muuschkatt in 'n Sünnschien
op Naber sien Finsterbank,
se lickt sick de Poot. .

Ein Beispiel - (Heinrich Kahl):

Maikatt vun vergangen Johr
kriggt ehr Jungen in 'n August.

Die Einführung des Haiku in die niederdeutsche Literatur erfolgte vor Jahren durch Johann D. Bellmann. (Beispiele dazu auch in seinem "Lüttjepütt"; hier dienen Haiku als Motti für einzelne Kapitel des Buches):

Nix nich is to sehn,
Himmel nich un nich de Eer -
un dat sneet un sneet.

In der "Bio-Bibliographie der Mitglieder der deutschen Haiku-Gesellschaft, 1994" sind auch andere plattdeutsche Haiku-Autoren aufgeführt. Dass die Haiku-Form in der plattdeutschen Literatur-Szene bisher wenig Verständnis gefunden hat, wird deutlich auch im "Quickborn" 2/98, wo die Rezension des 'Gollen Hahn', der über 100 Haiku und Tanka enthält, von Hilflosigkeit und Unkenntnis gekennzeichnet ist.
Dabei besteht kein Zweifel, dass die plattdeutsche Sprache in ihrer Ursprünglichkeit, Bildhaftigkeit und prägnanten Kürze sich für die Haikuform eignet wie kaum eine andere.
HK

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Besprechung

Heinrich Kahl, "Gollen Hahn", Plattdüütsche Gedichten, in 't Hoochdüütsche öberdragen. Hamburg 1996: M + K Hansa Verlag. 107 S. ISBN 3 - 960610 - 75 - X
Toeerst sünd de plattdüütschen Versen west; de hoochdüütsche Form steiht op de linke Siet blangenan un sall en Help sien för de Lesers, de dat Platt nich gliek verstahn köönt. En ganze Rehg vun Gedichten in de Kapitteln I, II un III sünd in de Form vun japaansche Haiku un Tanka schreben, un se sünd 'n beten wat freer in 't Hoochdüütsche öberdragen, so dat dorbi ok de Haiku- un Tankaform wohrt blifft. Op disse Oort stimmt denn de Form, man de hoochdüütschen Biller stimmt nich ümmer ganz mit de plattdüütschen öbereen, un de Klang is natürlich ok nich de sülbige. De Sinn vun de Gedichten kümmt vör allen ut de Biller, ut de Vörstellungen, un ut den Klang, un deswegen sull de, de dornah söcht, vör allen op de plattdüütschen, op de rechten Sieden kieken; dor ward 'n toeerst wies, wo Sinn un Form tosamenhöört. Dat kann en an 'n besten ok marken, wenn he de Versen nich blot mit de Ogen opnimmt, man ok düütlich mit de Stimm mal (half)luut leest.
Mit de Gedicht-Formen ut Oost-Asien versöcht de Autor Anschluss to finnen an en Stück Weltliteratur.

Fröhjohrsblomen

Dor, wo vör acht Daag
hooch noch Snee leeg, blöht mang Steen
geel de Hunnenbloom.

Gistern leeg de Grund
nerrn in 't Holt noch bruun un doot.
Hüüt spiert gröne Halms.

Öber 't ole Loof
an de Bökenheck weiht nu
witte Kirschblööt hin.

Sommergoorn

Bind de Sünnbloom fast!
De Gewidderstorm ritt sünst,
wenn du 'n Vers eerst schriffst,
di de grote Bloom hindal. -
Bild un Woort behöllst in 'n Kopp.

Bi den Appelboom
himmelblau de Riddersporn,
witt de Buern-Roos.
Wenn de Nachtvijool dor rüükt,
denkst du an den Prinz vun H.

Botterlickers fleegt
röber na 'n Lavennelbusch;
den sien Farv un Röök
bringt ok ehr Gemööt to Roh,
sachter ward de Hochtietsdanz.

Harvstloof

Mang dat gele Loof
root un blank de Rosenbeer. -
Wannehr kümmt de Fink?

Brummelbeerenrank
ward nu root, de Beer nich swatt,
un ehr Smack blifft suur.

Vun den Eekboom seilt
brunes Loof mit noorden Wind. -
Baben quarrt de Kreih.

Winterlicht

Winterstorm ut West
drifft mit Regenflagen ok
Kreihn wiet öber 't Land.

Op de Finsterbank
rode Amaryllis blöht,
buten warbelt Snee.

Ünnen an de Au,
wo de swatten Küsels treckt,
büst du dor alleen?

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